Die Botschaft des Engels im leeren Grab:

Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um damit zum Grab zu gehen und Jesus zu salben. Am ersten Tag der Woche kamen sie in aller Frühe zum Grab, als eben die Sonne aufging, Sie sagten zueinander: Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen? Doch als sie hinblickten, sahen sie, daß der Stein schon weggewälzt war; er war sehr groß. Sie gingen in das Grab hinein und sahen auf der rechten Seite einen jungen Mann sitzen, der mit einem weißen Gewand bekleidet war; da erschraken sie sehr. Er aber sagte zu ihnen: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte. Nun aber geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petrus: Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat. Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemand etwas davon; denn sie fürchteten sich.

Osterbotschaft 2022

Wie können wir von Auferstehung sprechen angesichts der vielen Kriegstoten in Mariupol und Idlib und angesichts der großen Zahl an Toten durch Corona? Ihnen allen ist kein Höhlengrab beschieden, vor dem sich ein Stein wegrollen ließe, damit die Ostermorgensonne auf eine leere Ruhestelle scheinen kann.. Vielleicht kommen wir der Auferstehungshoffnung eher auf die Spur, wenn wir uns klar machen, in welcher Lage Markus als ältester Textzeuge seine Auferstehungsgeschichte niederschreibt. Im Jahr 70 war nach einem umstrittenen jüdischen Aufstand gegen die römische Besatzungsmacht die Stadt Jerusalem dem Erdboden gleichgemacht worden, vorher hatte man sie ausgehungert. Schreckliche Szenen müssen sich abgespielt haben; nachzulesen bei Flavius Josephus. Jetzt lag alles in Trümmern, die Stadt mitsamt dem Tempel, einschließlich der Hoffnung auf eine Befreiung vom römischen Joch. Wie konnte man da noch daran glauben, dass Jesus der Messias gewesen war, dass sich Hoffnung mit ihm neu aufrichten ließe?

Vorsichtig tastend erzählt Markus die Jesusgeschichte so; aufrollend von Galiläa nach Jerusalem, folgend dem Heerzug der römischen Truppen: Die Soldaten ziehen eine Blutspur durch das Land, an ihrem Weg liegen vernichtete Dörfer und Meiler, gewalttätiger Widerstand zwecklos. Dagegen die Jesusbewegung, erzählt von Galiläa nach Jerusalem, aber als Aufstehbewegung. Sie richtet Traumatisierte und Niedergeschlagene auf, heilt Verwundete und baut durch Solidarität und Teilen des Brotes eine neue Gemeinschaft auf. So ist in der Perspektive des Markus der Kreuzestod Jesu nicht das Ende; seine Auferstehungsbewegung findet sich neu am Grab: Es wird mit seinem schweren Stein vor dem Eingang zum Bild des berühmten Brunnens in der Wüste (Gen 29). Der wurde von der Brunnenöffnung abgehoben und Rachel tränkte die Schafe, als die Herde sich um sie und den Brunnen versammelte, das Volk sich also wieder zusammenfand. Wasser in der Wüste, Leben mitten im Tod: Wer biblisch-bildlich denkt, kann die Parallelen zur Grabhöhle Jesu und zu Maria von Magdala kaum übersehen…

Aber was fangen wir mit diesen schönen Bildern heute an? Sie sind damals wie heute Bilder des Trostes und der Zuversicht, die gebraucht werden, wollen wir nicht in Mutlosigkeit versinken oder vor den Herausforderungen kneifen. Es wird wieder Einigung geben, die schweren Steine werden gelüftet und Licht und Luft kommen an die eingeschworenen Feindbilder. Der Weg ist lang und mühsam, er wird viel kosten – nicht umsonst endet das Markusevangelium damit, dass Maria von Magdala sich einerseits erschreckt (tromos) und andererseits freut (extasis), als sie ihren Auftrag erhält, der Jesusbewegung wieder auf die Beine zu helfen. Die Toten unserer Zeit sind ein Auftrag; ihre zu früh beendeten Leben halten uns unruhig und in der Arbeit, bis er endlich gefunden ist, der Friede, den wir so sehr herbeiwünschen. Das ist ein mühevoller Weg, nicht frei von Trauer und Schrecken; aber kleine Erfahrungen von Solidarität erhalten uns die Tatkraft, die Kraft der Auferstehung. Und die brauchen wir.

Jutta Lehnert

Last modified: 30. Januar 2025